Dienstag, 23. November 2010

Mutant-Sunday from outer space

Es war der 22. August 2010. Ich donnerte mich gerade auf für ein Date mit diesem netten, gutaussehenden Typen, der auf dem Weg zu Jacqueline-Chantals (Name v. d. Red. geändert) Geburtstags-Reste-Verputz-Nachparty ganz Gentleman-like meinen Nudelsalat getragen hatte. Währenddessen dachte ich nach. Der Beschissenheitsgrad dieses Sonntages konnte maximal noch an meinem Todestag geknackt werden, an dem das Chemiegebäude der Uni genau dann explodieren würde, wenn ich gerade vorbei lief, oder mein Laptop explodieren würde, weil ich vergessen hätte, ihn abzuschalten, bevor ich zum Einkaufen ging, oder meine Zahnbürste explodieren würde, weil ich sie über Nacht in das falsche Ladegerät gestellt hätte.
Es begann bereits am frühen Morgen, als ich bedingt durch die für 7.30 Uhr angesetzte und in einem anderen Bundesland stattfindende Bandprobe um fünf Uhr morgens aufstehen und eine knappe Stunde zum Bahnhof laufen musste, da Sonntags um diese Uhrzeit noch kein Bus fuhr. Dieser Umstand führte bereits von vorn herein zu einer eher negativ angehauchten Grundeinstellung gegenüber des Tages, der vor mir lag.
Die Probe selbst verlief entsprechend. Würde ich in einer experimentellen Avantgarde-Symphonic-Melodic-Opera-Power-Metal-Band singen, wäre ich mit meinem Gesang sicherlich als einzigartiges Musikgenie abgöttisch verehrt worden. Da die Band jedoch einen eher traditionellen, harmonisch klingenden Stil bevorzugt, holte ich mir erstmal schön meinen (verdienten) durch-die-Blume-Anschiss ab. Nachdem ich also drei Stunden lang die anspruchsvollen Kompositionen meiner Bandkollegen gnadenlos niedergemetzelt hatte, bot sich mir nicht etwa die Gelegenheit, das Geschehene zu verarbeiten, nein, ich hatte gleich im Anschluss noch eine 5-Stunden-Schicht in der Schnittenbude vor mir, in der ich arbeite, um mein Studium zu finanzieren.
Pünktlich zum Schichtbeginn beschloss nicht nur mein Magen, dass mir den ganzen Arbeitstag lang schlecht sein sollte, es beschlossen auch unsere neuesten Lieblings-Stammkunden, die ich liebevoll die Schlampen-Kombo nenne, seit sie mir kürzlich offenbart hatten, mit wem sie alles in welchem Urlaub was gehabt hatten, unseren kleinen Brotladen sofort zu stürmen, als wir öffneten, und uns in gewohnt tussiger Juristinnen*-Manier auf die Eier/-stöcke zu gehen. Fing ja gut an. Und besser wurde es nicht wirklich, sodass ich nach fünf Stunden gastronomischer Prostitution zu Hause erschöpft in mein Bett fiel, nur um sofort vom hektischen Klingeln meines Telefons wieder aufgescheucht zu werden.
Es war der Chef des Nachhilfe-Instituts, in dem ich zusätzlich arbeite. Er hatte einen neuen Schüler für mich, mit dem bereits ein Termin für den nächsten Tag vereinbart war, zu dem ich jedoch nicht konnte, da ich eine Extraschicht in der bereits erwähnten Schnittenbude schieben musste. Und da mein Chef diesen logistischen Supergau darauf zurückführte, dass ich mich nicht sofort gemeldet hatte, als ich anderthalb Tage zuvor aus meinem Urlaub zurückgekommen war, was ich angeblich versprochen hatte (die Erinnerung an dieses Versprechen musste ich vor Schreck verloren haben, als ich die Woche davor mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sekunden aus dem Bahnhof einer Katapultachterbahn geschossen wurde), holte ich mir den zweiten durch-die-Blume-Anschiss an diesem Tag ab, der sogleich in eine allgemeine Diskussion darüber mündete, warum ich überhaupt noch eine weitere Arbeitsstelle hatte. Ich konnte ihn jedoch irgendwann davon überzeugen, dass Brote für arrogante Juristinnen* zu schmieren schon immer mein größter Traum war, seit mir mit sechs Jahren bewusst geworden war, dass in unserer modernen, schnelllebigen Gesellschaft, die von technischem Fortschritt, Massenmedien und Globalisierung geprägt ist, mein ursprünglicher Gedanke, Märchenprinzessin zu werden, eventuell nur wenige berufliche Perspektiven eröffnen würde. So einigten wir uns darauf, dass ich den Schüler erst ab nächster Woche übernehmen würde, beendeten das Gespräch und ich stolperte frustriert unter die Dusche.

Ja, da stand ich nun, donnerte mich immer noch auf und fragte mich, ob an diesem Tag eigentlich noch mehr Katastrophen kommen konnten. Sie konnten. Denn den dicken, schwarzen Gewitterwolken nach zu urteilen, sah es nicht so aus, als könnten der nette, gutaussehende Typ, der meinen Nudelsalat getragen hatte und ich uns, wie ursprünglich geplant, mit einer Flasche Wein unten in der Stadt ans Flussufer setzen. Zwar waren wir nach einem kurzen Aufenthalt in der Kneipe unseres Vertrauens doch noch dickköpfig genug, um es trotzdem zu tun, ich zweifelte jedoch stark daran, dass das Industrie-Aroma, mit dem der Regen den Wein versetzte, romantische Stimmung aufkommen lassen konnte. War ja wohl klar, dass der Höhepunkt dieses zum Kotzen seienden Tages ein Date sein musste, das zum absoluten Reinfall werden würde, sodass ich mich darauf einstellte, mit klatschnassen Klamotten, total verschmierter Wimperntusche und einem Ground Zero statt einer Frisur im letzten Bus zu sitzen und mir die Idee schön zu reden, dass 15 Katzen durchaus auch eine liebevolle Familie sein konnten. Doch es kam dann doch alles irgendwie ganz anders.
Es stellte sich nämlich heraus, dass es Cupido an seinem kleinen fetten Puttenarsch vorbei ging, dass der Chef mal wieder wahllos mit Blitzen und Regenwolken um sich schmiss, weil er einen Tobsuchtsanfall hatte, da ihm seit knapp 2000 Jahren kaum mehr jemand irgendein Opfer brachte und die Menschen stattdessen einen Narren an diesem komischen Hippie gefressen haben, nur weil der Wasser in Wein verwandeln konnte. Cupido machte einfach seinen verdammten Job. So auch heute. Während ich nichts ahnend meinen Wein beziehungsweise meine Weinschorle schlürfte, spannte er seinen Bogen, zielte und -buffff- da traf mich auch schon der Pfeil. Im ersten Moment überlegte ich kurz, ob es vielleicht sinnvoll wäre, mir am nächsten Tag eine Tetanusspritze geben zu lassen, da ich mir nicht sicher war, wie lange Cupido meinen Pfeil schon in seinem Köcher mit sich rumschleppte (und es musste wirklich lange sein!!), dann aber war ich abgelenkt von dem unmittelbar einsetzenden heftigen Bauchkribbeln gegen das nicht einmal die besagte Beschleunigung in der Achterbahn des Todes anstinken konnte.
Und der nette, gutaussehende Typ, der meinen Nudelsalat getragen hatte, und den ich inzwischen schon mehr, als nur nett fand, nahm mich in den Arm und lächelte mich an. Und das Lächeln sagte so etwas, wie „ich sag jetzt nicht, was ich denke, aber ich denke, dass wenn ich sagen würde, was ich denke, ich sagen würde, dass ich dich echt verdammt gern hab“. Und dann lächelte ich zurück. Und mein Lächeln sagte so etwas, wie „Sag ruhig, was Du denkst, denn ich sag mal, dass ich denke, dass das was Du denkst und mir nicht sagst, mir sehr gefällt, und ich denke, dass ich Dir dann sagen würde, dass ich Dich auch verdammt gern habe“. Und dann sah er kurz zur Seite. Und dann sah er mich wieder an. Und dann sah er wieder weg. Und dann sah er wieder her. Und dann nahm er mich in den Arm und küsste mich. Einfach so. Und mit einem Mal schoss eine Armee von Glückshormonen durch sämtliche Blutgefäße meines Körpers, sodass mein Herz kaum noch hinterher kam, die gedopte Soße weiterzupumpen, während irgendwo im Hintergrund ein kleiner speckiger Typ mit Flügeln 'Everybody dance now' sang und dazu einen kleinen Siegestanz aufführte.
Irgendwann nachts kam ich dann schließlich nach Hause, mit klatschnassen Klamotten, total verschmierter Wimperntusche und einem Ground Zero statt einer Frisur. Ja, das war in der Tat der schönste Sonntag, den ich je erlebt habe.

Gewidmet dem nettesten, bestaussehendsten, aufmerksamsten, liebevollsten, sexysten, verrücktesten, romantischsten, männlichsten und einfach perfektesten Nudelsalatträger aller Zeiten. Ich liebe Dich :-).

*ich möchte erklären, dass diese herablassende Bemerkung über Studentinnen der Rechtswissenschaften lediglich humoristischen Zwecken dient und nicht meine tatsächliche Meinung wiedergibt. Tatsächlich vertrete ich die Ansicht, dass eben diese jungen Frauen die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Ohne sie könnte unser Rechtsstaat nicht aufrecht erhalten werden. Sie leisten während ihres Studiums aufopferungsvoll nahezu Unmenschliches, nur um uns auch in Zukunft ein den Werten einer Demokratie entsprechendes Rechtssystem zu gewährleisten. Somit sind sie der wichtigste Pfeiler der Gesellschaft und es gebührt ihnen unsere vollste Bewunderung.

1 Kommentar:

  1. " *ich möchte erklären, dass diese herablassende Bemerkung über Studentinnen der Rechtswissenschaften lediglich humoristischen Zwecken dient und nicht meine tatsächliche Meinung wiedergibt. Tatsächlich vertrete ich die Ansicht, dass eben diese jungen Frauen die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Ohne sie könnte unser Rechtsstaat nicht aufrecht erhalten werden. Sie leisten während ihres Studiums aufopferungsvoll nahezu Unmenschliches, nur um uns auch in Zukunft ein den Werten einer Demokratie entsprechendes Rechtssystem zu gewährleisten. Somit sind sie der wichtigste Pfeiler der Gesellschaft und es gebührt ihnen unsere vollste Bewunderung. "
    --> für mich der beste Teil der Geschichte ;)

    Herzlichen Glückwunsch... wenn auch etwas spät, aber ich kenne den so überaus männlichen, gut aussehenden, romantischen, kreativen und verständnisvollen Nudelsalatträger ja bereits ;)

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