Dienstag, 14. Februar 2012

Ihr Kinderlein kommet...

Für gewöhnlich bin ich ein sehr stoischer Zeitgenosse, was aktuelle Politik betrifft. Ich rege mich nie auf und nehme hin, was da kommen mag. Selbst die augenblicklichen Zustände an der Uni, aka Bizarroworld, akzeptiere ich mit dem mantrisch vor mich hin gemurmelten Satz „bald bin ich fertig“. Für gewöhnlich ziehe ich mich nämlich für die meiste Zeit des Tages in meine ganz persönliche Fragt-mich-nicht-ich-bin-nur-ein-Mädchen-Welt zurück, esse Kinderschokolade, schaue die Tudors wegen der tollen Kostüme und mache eine imaginäre Fahrt mit einer meiner Lieblings-Achterbahnen im Europapark* – eine Art Selbstschutzmechanismus. Als ich jedoch heute aus der mollig warmen Dusche auf den Flauschi-Badezimmerteppich stieg, um mir zu überlegen, welche Frisur ich mir heute machen sollte, wurde ich aus dieser katatonischen Starre des Politisierens herausgerissen.
Erst hielt ich es für einen Aprilscherz, aber dann fiel mir ein, dass ich am ersten April meine Zulassungsarbeit abgeben muss und ich konnte mich nicht erinnern, letzte Nacht 65 Seiten mithilfe von intravenöser Zuführung von Taurin und Zucker runtergekotzt zu haben. Also musste das wohl ernst gemeint sein.
Ja, obwohl ich bisher die Ruhe selbst war und mich nie über politische Missstände oder sonstige Meisterleistungen sogenannter Volksvertreter ausließ, muss ich mich hier doch mal äußern, denn diese Meldung toppt alles:

„Wer keine Kinder hat, soll künftig einen Extra-Obolus in die Staatskasse zahlen. Diese Idee stammt von der Jungen Gruppe in der Union[...].  Junge Unionspolitiker [...] wollen [...] noch in dieser Legislaturperiode eine entsprechende Verfassungsänderung durchzusetzen. Das Geld solle in die Sozialversicherungen, aber auch in Infrastruktur und Bildung fließen, sagte der Sprecher der Jungen Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz [...]. Den jungen Unionsabgeordneten schwebt konkret vor, Kinderlose ab 25 Jahre mit einem Prozent ihres Einkommens zur Kasse zu bitten. Die Abgabe könne nach der Anzahl der Kinder gestaffelt werden, heißt es. Kinderlose sollen voll zahlen, Eltern mit einem Kind die Hälfte, Eltern mit mehreren Kindern gar nichts.“**

Spitzenidee, Herr Wanderwitz [Anm. der Red: nomen est omen!]! Das ist mir doch glatt einen ironischen Slow-Motion-Applaus wert!

*Pause für ironischen Slow-Motion-Applaus*

Versteht mich nicht falsch, es geht nicht um die Kohle (is' ja für nen guten Zweck). Es geht allein um die Tatsache, dass sanktioniert wird, wer Familienplanung nicht im Sinne des Staates betreibt. Aber da dachte sich Herr Wanderwitz wohl, wer so lecker Peking-Ente kocht, der muss es ja wissen.
 
Kommen wir nun zu den Gründen, warum diese Spitzenidee eigentlich keine Spitzenidee sondern totaler Bullshit ist:

1. Folgende Fragen bleiben offen:
  • wenn jemand keine Kinder bekommen kann, wird er von der Steuer befreit? Wenn nein, wird künstliche Befruchtung staatlich angeordnet? Wenn ja, wird künstliche Befruchtung staatlich bezuschusst?
  • wenn jemandes Partner keine Kinder bekommen kann, wird er von der Steuer befreit? Wenn nein, wird die Scheidung staatlich angeordnet? Wenn ja, wird die Scheidung staatlich bezuschusst?
  • wenn jemand schon so eine Kelly Family zu Hause sitzen hat und nach Scheidung einen neuen Partner findet, der keine Kinder hat, der jemand aber wegen besagter Kelly Family keine Kinder mehr möchte, ist der neue Partner dann von der Steuer befreit? Wenn nein, s.o.?
  • wenn eine Schwangerschaft eine Gefährdung des Lebens der Mutter darstellen würde, sind die Partner von der Steuer ausgenommen? Wenn nein, wird die Beerdigung der Mutter staatlich bezuschusst?
  • wenn ein Model durch Schwangerschaft den Traumkörper verliert, bekommt es dann eine Arbeitsunfähigkeitsrente?
  • sind Homosexuelle von der Steuer befreit? Wenn nein, kann man das als homophob werten? Wenn Doch, wie wird die Homosexualität nachgewiesen?
Fragen über Fragen...


2. Zu den „Schkrich-ma-nen-Kind-dann-krisch-Kindergeld“ - Leuten kommen nun auch noch die „Schkrich-ma-nen-Kind-sparschteuern-“ - Leute dazu. Ob das die besten Voraussetzungen für ein familiäres Umfeld als Oase der Liebe und Geborgenheit sind? Es ist kühn, aber ich zweifle daran. Und Katja Saalfrank hat leider das Handtuch geschmissen, sodass das soziale Auffangnetz von RTL leider nicht mehr zur Verfügung steht. Das führt am Ende nur zu mehr Emos und davon hat keiner was.

3. Wenn ich also mindestens zwei Kinder bekommen soll, um den Wünschen des Herrn Wanderwitz gerecht zu werden, sollte ich also spätestens mit 23 loslegen. Möglicherweise könnte unter bestimmten Umständen der rein hypothetische Fall eintreten, dass man in diesem Alter den Partner für's Leben noch nicht gefunden hat, oder – noch unrealistischer – in besagtem Leben noch nicht mit beiden Beinen steht. Vielleicht unterschätze ich Deutschland, aber meiner Meinung nach sind es nur realitätsfremde Vollpfosten, die wirklich meinen, der Großteil der deutschen Bevölkerung zwischen 20 und 25 hat a) schon längst die familientechnischen Voraussetzungen für zwei (!) Kinder, b) die finanziellen Grundlagen für zwei (!) Kinder c) die Reife für zwei (!) Kinder und d) überhaupt kein Problem damit, sofort nach der Schule auf Familiengründung mit spätestens 23 Jahren hinzuarbeiten (Freiheit der Jugend wird sowieso überbewertet).

Nun denn. Genug aufgeregt. Sollte sich in den höheren Rängen des Bundestags nicht zufällig eine Lobby finden, die insgeheim plant, in den kommenden Jahrzehnten in diverse Nachbarländer einzumarschieren, dürfte dieses seltsame Geburtenraten-Erhöhungs-Ding der Jungen Union wohl kaum Zuspruch genug finden, um umgesetzt zu werden. Zumindest hoffe ich das. Ich verschwinde nun wieder in meiner Kinderschokoladen-Tudors-Europapark-Welt und schließe mit folgendem Zitat einer weisen Frau, das hoffentlich bei den kommenden Debatten im Bundestag einen Denkanstoß bietet:





Über meinen Uterus wird nicht verhandelt!!!
                                                                                                                                   Gaby Solis


*Nein, für dieses unauffällig eingeflochtene Product Placement, sowie für meine zahlreichen Powerpoint-Präsentationen und anderen werbewirksamen Aktionen werde ich leider immernoch nicht vom Park bezahlt.


Sonntag, 29. Mai 2011

Ende einer Ära...

Machts gut, ihr Juristinnen, die ihr lieber den nicht so „bäh“ seienden Salat wollt, weil ihr nicht gelernt habt, dass nicht genmanipulierter, chemisch behandelter oder sonst wie gepimpter Salat nach ein paar Stunden an der Luft einfach etwas braun wird. Natur ist schon echt was ekliges!

Machts gut, ihr ehemaligen Mitarbeiter von anderen Schnittenbuden-Filialen, die ihr ein Sandwich nur zu dem einen Zweck bestellt, mir zu demonstrieren, dass ihr viel besser wisst, in welcher Reihenfolge man welche wartenden Kunden an welcher Theke bedient, und dass ihr genau wisst, dass sechs, anstatt nur fünf Scheiben Tomaten auf das Sandwich kommen. Erwischt! Natürlich wollte ich euch nur bescheißen. Die Ausrede mit dem flächendeckenden Prinzip bei größeren Tomaten klingt ja auch schon total an den Haaren herbei gezogen!

Machts gut, ihr zukünftigen Manager, die ihr eure Beschwerdebriefe über nicht erhaltene Gratis-Getränke mit einer Abhandlung über euer kürzlich erschienenes Buch zum Thema Marketingstrategien beginnt, die dann auch den Großteil der Beschwerdemail ausmacht. Selbstdarstellung? Nicht doch – irgendjemand muss ja mal darauf hinweisen, was das für ein Skandal ist, wenn sich Mitarbeiter an ihre Vorschriften halten, obwohl eine normale Gesichtsfärbung, solider Stand und kraftvolle Stimme ja klare Indizien dafür sind, dass man jeden Moment wegen der im Laden herrschenden Hitze an Kreislaufkollaps stirbt (Anstehen ist ja auch wesentlich anstrengender, als direkt vor den drei Öfen von A nach B und zurück zu laufen, um irgendwie die immer länger werdende Schlange vor der Theke abzuarbeiten). Und dem Kunden dann auch noch den eigenen Becher hinzustrecken und zu behaupten, wenn die Getränke nicht aus den Einmal-Pappbechern getrunken werden würden, sei es in Ordnung, ist ja wohl der widerliche Gipfel des Zynismus (im Nachhinein kann jeder sagen 'den Becher hätte ich schon noch abgespült'), das muss man sich selbst im Notfall kurz vor der todbringenden Ohnmacht nicht bieten lassen!

Machts gut, ihr Entschädigungs-Fetischisten, die ihr auf den überall gültigen Grundsatz „Der Kunde ist König“ pocht und wutentbrannt (und ohne Sandwich) aus dem Laden stürmt, weil ihr trotz einer Ansteh - Orgie von über fünf Minuten – fünf Minuten eures Lebens, die euch keiner mehr wieder bringt - keinen Gratis-Cookie als Entschädigung erhaltet und dann auch noch feststellen müsst, dass die Zwiebeln aus sind. Und ohne Zwiebeln ist ja so ein Sandwich nicht essbar, iiiiihhhh.... Naja, aber ich bin natürlich eine Ausnahme. In allen anderen Situationen des Lebens kommt ihr mit dieser Attitüde natürlich viel weiter, als alle anderen Menschen, die – doof, wie sie sind – sich weniger ich-bezogen verhalten.

Machts gut, ihr gestressten Schwangeren, die ihr es anscheinend auf Grund eures veränderten Hormonhaushaltes nicht schafft, höflich nach mehr Salat/ Essig/ allem anderen zu fragen, sondern uns stattdessen ein walkürenhaftes „MEHR“ entgegen schmettert.

Machts gut, ihr ehemals höheren Töchter, die ihr gleich völlig aufgebracht die Geschäftsleitung verlangt, weil der Kollegin aus Versehen ein „Du“ rausrutscht. Im Grunde verstehe ich ja, dass ihr euch darüber derartig echauffiert – habt ihr doch unter Kaiser Wilhelm noch Anstand und Manieren gelernt – aber heutzutage ist alles ein wenig anders. Frauen dürfen inzwischen wählen, der Führer hat sich vor einiger Zeit umgebracht (entschuldigung, ich meine, den heldenhaften Freitod gewählt) und diese grauenvolle Rock'n'Roll-Musik hat sich leider auch überall etabliert. Versuchet einfach, es nicht allzu schwer zu nehmen.

Machts gut, ihr 18-25-jährigen Yuppies, die zu bedienen ja eine Ehre für uns sein muss, wo wir doch alle nur dumme Schulabbrecher sind und in der Schnittenbude arbeiten müssen, weil unser Horizont leider nur bis 'Gib-ich-dich Brot-gibst-Du-mich-Geld' reicht. Dass man in der Schnittenbude arbeitet, um sein Studium zu finanzieren, ist ja schon allein deshalb völlig abwegig, weil Mama und Papa das doch schon übernehmen. Natürlich seid ihr etwas viel besseres als wir. Deshalb ist es ja auch ganz selbsverständlich, dass ihr euch nur auf die notwendigsten Kommunikationselemente beschränkt, wie „Schinken, Weißbrot, ganz“. Erstens gehört es nicht zum guten Ton, mehr mit der niederen Schirmmützen-Klasse zu reden, als unbedingt notwendig, oder gar Höflichkeitsfloskeln, wie „Ich hätte gerne“ oder „bitte“ zu verwenden, zweitens besitzen wir sowieso nur ganz rudimentäre Grammatikkenntnisse, also warum vollständige Sätze bilden? Und da es ja auch unsere Aufgabe ist, euren Dreck wegzuräumen, ist es ja auch ganz klar, dass ihr euer zugemülltes Tablett nicht selbst wegräumt. Der Typ, der das so vorgesehen hat muss echt völlig bescheuert sein. Naja, wir können diese Hierarchie ja noch einmal genauer diskutieren, wenn das Vorrücken eurer Kinder später von der Note in meinem Lateinunterricht abhängt.

Machts gut...
IHR TROTTEL!!!



Dienstag, 23. November 2010

Mutant-Sunday from outer space

Es war der 22. August 2010. Ich donnerte mich gerade auf für ein Date mit diesem netten, gutaussehenden Typen, der auf dem Weg zu Jacqueline-Chantals (Name v. d. Red. geändert) Geburtstags-Reste-Verputz-Nachparty ganz Gentleman-like meinen Nudelsalat getragen hatte. Währenddessen dachte ich nach. Der Beschissenheitsgrad dieses Sonntages konnte maximal noch an meinem Todestag geknackt werden, an dem das Chemiegebäude der Uni genau dann explodieren würde, wenn ich gerade vorbei lief, oder mein Laptop explodieren würde, weil ich vergessen hätte, ihn abzuschalten, bevor ich zum Einkaufen ging, oder meine Zahnbürste explodieren würde, weil ich sie über Nacht in das falsche Ladegerät gestellt hätte.
Es begann bereits am frühen Morgen, als ich bedingt durch die für 7.30 Uhr angesetzte und in einem anderen Bundesland stattfindende Bandprobe um fünf Uhr morgens aufstehen und eine knappe Stunde zum Bahnhof laufen musste, da Sonntags um diese Uhrzeit noch kein Bus fuhr. Dieser Umstand führte bereits von vorn herein zu einer eher negativ angehauchten Grundeinstellung gegenüber des Tages, der vor mir lag.
Die Probe selbst verlief entsprechend. Würde ich in einer experimentellen Avantgarde-Symphonic-Melodic-Opera-Power-Metal-Band singen, wäre ich mit meinem Gesang sicherlich als einzigartiges Musikgenie abgöttisch verehrt worden. Da die Band jedoch einen eher traditionellen, harmonisch klingenden Stil bevorzugt, holte ich mir erstmal schön meinen (verdienten) durch-die-Blume-Anschiss ab. Nachdem ich also drei Stunden lang die anspruchsvollen Kompositionen meiner Bandkollegen gnadenlos niedergemetzelt hatte, bot sich mir nicht etwa die Gelegenheit, das Geschehene zu verarbeiten, nein, ich hatte gleich im Anschluss noch eine 5-Stunden-Schicht in der Schnittenbude vor mir, in der ich arbeite, um mein Studium zu finanzieren.
Pünktlich zum Schichtbeginn beschloss nicht nur mein Magen, dass mir den ganzen Arbeitstag lang schlecht sein sollte, es beschlossen auch unsere neuesten Lieblings-Stammkunden, die ich liebevoll die Schlampen-Kombo nenne, seit sie mir kürzlich offenbart hatten, mit wem sie alles in welchem Urlaub was gehabt hatten, unseren kleinen Brotladen sofort zu stürmen, als wir öffneten, und uns in gewohnt tussiger Juristinnen*-Manier auf die Eier/-stöcke zu gehen. Fing ja gut an. Und besser wurde es nicht wirklich, sodass ich nach fünf Stunden gastronomischer Prostitution zu Hause erschöpft in mein Bett fiel, nur um sofort vom hektischen Klingeln meines Telefons wieder aufgescheucht zu werden.
Es war der Chef des Nachhilfe-Instituts, in dem ich zusätzlich arbeite. Er hatte einen neuen Schüler für mich, mit dem bereits ein Termin für den nächsten Tag vereinbart war, zu dem ich jedoch nicht konnte, da ich eine Extraschicht in der bereits erwähnten Schnittenbude schieben musste. Und da mein Chef diesen logistischen Supergau darauf zurückführte, dass ich mich nicht sofort gemeldet hatte, als ich anderthalb Tage zuvor aus meinem Urlaub zurückgekommen war, was ich angeblich versprochen hatte (die Erinnerung an dieses Versprechen musste ich vor Schreck verloren haben, als ich die Woche davor mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sekunden aus dem Bahnhof einer Katapultachterbahn geschossen wurde), holte ich mir den zweiten durch-die-Blume-Anschiss an diesem Tag ab, der sogleich in eine allgemeine Diskussion darüber mündete, warum ich überhaupt noch eine weitere Arbeitsstelle hatte. Ich konnte ihn jedoch irgendwann davon überzeugen, dass Brote für arrogante Juristinnen* zu schmieren schon immer mein größter Traum war, seit mir mit sechs Jahren bewusst geworden war, dass in unserer modernen, schnelllebigen Gesellschaft, die von technischem Fortschritt, Massenmedien und Globalisierung geprägt ist, mein ursprünglicher Gedanke, Märchenprinzessin zu werden, eventuell nur wenige berufliche Perspektiven eröffnen würde. So einigten wir uns darauf, dass ich den Schüler erst ab nächster Woche übernehmen würde, beendeten das Gespräch und ich stolperte frustriert unter die Dusche.

Ja, da stand ich nun, donnerte mich immer noch auf und fragte mich, ob an diesem Tag eigentlich noch mehr Katastrophen kommen konnten. Sie konnten. Denn den dicken, schwarzen Gewitterwolken nach zu urteilen, sah es nicht so aus, als könnten der nette, gutaussehende Typ, der meinen Nudelsalat getragen hatte und ich uns, wie ursprünglich geplant, mit einer Flasche Wein unten in der Stadt ans Flussufer setzen. Zwar waren wir nach einem kurzen Aufenthalt in der Kneipe unseres Vertrauens doch noch dickköpfig genug, um es trotzdem zu tun, ich zweifelte jedoch stark daran, dass das Industrie-Aroma, mit dem der Regen den Wein versetzte, romantische Stimmung aufkommen lassen konnte. War ja wohl klar, dass der Höhepunkt dieses zum Kotzen seienden Tages ein Date sein musste, das zum absoluten Reinfall werden würde, sodass ich mich darauf einstellte, mit klatschnassen Klamotten, total verschmierter Wimperntusche und einem Ground Zero statt einer Frisur im letzten Bus zu sitzen und mir die Idee schön zu reden, dass 15 Katzen durchaus auch eine liebevolle Familie sein konnten. Doch es kam dann doch alles irgendwie ganz anders.
Es stellte sich nämlich heraus, dass es Cupido an seinem kleinen fetten Puttenarsch vorbei ging, dass der Chef mal wieder wahllos mit Blitzen und Regenwolken um sich schmiss, weil er einen Tobsuchtsanfall hatte, da ihm seit knapp 2000 Jahren kaum mehr jemand irgendein Opfer brachte und die Menschen stattdessen einen Narren an diesem komischen Hippie gefressen haben, nur weil der Wasser in Wein verwandeln konnte. Cupido machte einfach seinen verdammten Job. So auch heute. Während ich nichts ahnend meinen Wein beziehungsweise meine Weinschorle schlürfte, spannte er seinen Bogen, zielte und -buffff- da traf mich auch schon der Pfeil. Im ersten Moment überlegte ich kurz, ob es vielleicht sinnvoll wäre, mir am nächsten Tag eine Tetanusspritze geben zu lassen, da ich mir nicht sicher war, wie lange Cupido meinen Pfeil schon in seinem Köcher mit sich rumschleppte (und es musste wirklich lange sein!!), dann aber war ich abgelenkt von dem unmittelbar einsetzenden heftigen Bauchkribbeln gegen das nicht einmal die besagte Beschleunigung in der Achterbahn des Todes anstinken konnte.
Und der nette, gutaussehende Typ, der meinen Nudelsalat getragen hatte, und den ich inzwischen schon mehr, als nur nett fand, nahm mich in den Arm und lächelte mich an. Und das Lächeln sagte so etwas, wie „ich sag jetzt nicht, was ich denke, aber ich denke, dass wenn ich sagen würde, was ich denke, ich sagen würde, dass ich dich echt verdammt gern hab“. Und dann lächelte ich zurück. Und mein Lächeln sagte so etwas, wie „Sag ruhig, was Du denkst, denn ich sag mal, dass ich denke, dass das was Du denkst und mir nicht sagst, mir sehr gefällt, und ich denke, dass ich Dir dann sagen würde, dass ich Dich auch verdammt gern habe“. Und dann sah er kurz zur Seite. Und dann sah er mich wieder an. Und dann sah er wieder weg. Und dann sah er wieder her. Und dann nahm er mich in den Arm und küsste mich. Einfach so. Und mit einem Mal schoss eine Armee von Glückshormonen durch sämtliche Blutgefäße meines Körpers, sodass mein Herz kaum noch hinterher kam, die gedopte Soße weiterzupumpen, während irgendwo im Hintergrund ein kleiner speckiger Typ mit Flügeln 'Everybody dance now' sang und dazu einen kleinen Siegestanz aufführte.
Irgendwann nachts kam ich dann schließlich nach Hause, mit klatschnassen Klamotten, total verschmierter Wimperntusche und einem Ground Zero statt einer Frisur. Ja, das war in der Tat der schönste Sonntag, den ich je erlebt habe.

Gewidmet dem nettesten, bestaussehendsten, aufmerksamsten, liebevollsten, sexysten, verrücktesten, romantischsten, männlichsten und einfach perfektesten Nudelsalatträger aller Zeiten. Ich liebe Dich :-).

*ich möchte erklären, dass diese herablassende Bemerkung über Studentinnen der Rechtswissenschaften lediglich humoristischen Zwecken dient und nicht meine tatsächliche Meinung wiedergibt. Tatsächlich vertrete ich die Ansicht, dass eben diese jungen Frauen die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Ohne sie könnte unser Rechtsstaat nicht aufrecht erhalten werden. Sie leisten während ihres Studiums aufopferungsvoll nahezu Unmenschliches, nur um uns auch in Zukunft ein den Werten einer Demokratie entsprechendes Rechtssystem zu gewährleisten. Somit sind sie der wichtigste Pfeiler der Gesellschaft und es gebührt ihnen unsere vollste Bewunderung.

Montag, 13. September 2010

Ohne Worte - Resurrection

...ich.... hab... eine... EINS....

Dienstag, 25. Mai 2010

Am Abend

Es ist spät geworden. Die Sonne ist längst untergegangen und vor dem dunklen, graublauen Hintergrund der Dämmerung zeichnen sich die Blumen auf meinem Fensterbrett ab. Ein wirrer, schwarzer Schatten. Von den vollen, roten Blüten ist nichts mehr zu sehen. Es ist sehr still. Nicht einmal die Uhr höre ich ticken, sie ist stehen geblieben. Plötzlich ein Lachen. Ein Mann und eine Frau, draußen auf der Straße. Es durchfährt mich, wie ein Messerstich. Meine Hand lässt das Weinglas fallen. Unter den Scherben breitet sich die schwere, purpurne Flüssigkeit in einer dunklen Lache auf dem Fußboden aus. Vor meinen starren Augen blitzen Bilder auf. Bilder aus einem schönen Traum. An der Wand sitzt eine schwarze Fliege. Sie zuckt mit den Flügeln, als würde sie ungeduldig auf etwas warten. Und die Bilder verschwimmen.

Es ist Nacht geworden. Die Umrisse der Blumen hat inzwischen die tiefschwarze Dunkelheit verschlungen. Ich werde jetzt schlafen gehen.

Montag, 12. April 2010

Ohne Worte - Teil III

30. März, 10.00 Uhr: Noch zwei Stunden. Ich erreiche gerade die Zentralbibliothek. Ich lege meine Sachen im Spind ab, springe die Treppe hoch, schmeiße mich schwungvoll gegen die Glastür und gleite so zartfüßig, wie es nach der Verspachtelung einer Packung Prinzenrolle noch möglich ist, durch den Lesesaal. Obwohl ich kurz überlegen muss, welche Zahl gleich nochmal vor vier kommt, finde ich die Signatur, notiere die Seitenzahl meines Zitats und powerwalke zurück zu meinem Spind. Dabei schaffe ich es sogar noch, Horst-Rainer (Name v.d. Red. geändert) auszuweichen, dem ich jedes Mal, wenn ich ihn in der Bibliothek treffe, erkläre, dass ich ihm dummerweise meine Handynummer nicht geben kann, weil ich sie dummerweise nicht auswendig weiß und das Handy dummerweise nicht zur Hand habe, um nachzusehen. Durch-die-Blume-Aussagen zu verstehen ist aber offenbar nicht so Horst-Rainers Ding. Jedenfalls packe ich eilig mein Zeug aus dem Spind und mache mich auf zur Teilbibliothek Romanistik.

30. März, 10.30 Uhr: Mäppchen, Handy, Geldbeutel und USB-Stick fächerartig zwischen die Finger geklemmt stürme ich die Teilbibliothek, okkupiere sofort einen der wenigen PC-Arbeitsplätze und stolpere nun hektisch und nach 27 Stunden ohne Schlaf auch etwas unkoordiniert durch die Gänge, finde aber alles, was ich brauche und mache mich daran, meine Arbeit abzuschließen. Alles wird gut. Ich muss nur eins mit der Tastatur werden. Ich muss die Tastatur sein.

30. März, 11.40 Uhr: ...speichern...und los....

30. März, 11.42 Uhr:
Diewendeltreppehochnachlinksdenganglangnachlinksdurchdietürnachlinks
(I wish I was a hunter in search of different food)*

denganglangdurchdieglastürnachrechtsdietreppehochdurchdieeingangstür
(I wish I was the animal which fits into that mood)*

nachdraußenschrägnachlinksdietreppehochüberdenzebrastreifendietreppezur
(I wish I was a person wirh unlimited breath)*

bibliothekhochdurchdieeingangstürnachlinksdurchsfoyeraneinenarbeitsplatz
(I wish I was a heartbeat that never comes to rest)*

30. März, 11.47 Uhr: Nervös beobachte ich, wie der Drucker mein Opus ausspuckt. Hoffen wir, dass Horst-Rainer jetzt nicht auftaucht. Falls doch, würde ich ihm durch die Blume sagen müssen, dass ich als kleines Mädchen zu fett für's Ballett war. Na endlich. Die letzte Seite ist ausgedruckt. Lochen...einheften...und weiter...

30. März, 11.55 Uhr:
Durchsfoyerrechtsdurchdietürnachdraußendietrepperunterüberdenzebra
(I wish I was a stranger who wanders down the sky)*
streifendietrepperunterzurphilosophieschrägnachrechtsdurchdieeingangstürdie
(I wish I was starship in silence flying by)*

trepperunternachlinksdurchdieglastürnachrechtsdenganglangnachrechtsdurch
(I wish I was a princess with armies at her hand)*

dietürnachlinksdenganglanglinksdietreppehochlinksdenganglangnachrechts...
(I wish I was a ruler who'd make them understand)*

30. März, 11.59 Uhr: Proustend renne ich auf das Sekretariat zu, die Arbeit in der Hand, bereit, mich mit einem dramatischen 'neeeeeeeein' zwischen die sich schließende Tür und den Türrahmen zu werfen, da sehe ich, wie die Sekretärin zusammen mit der Hälfte der SpraWi-Crew ein illustres Kaffeekränzchen abhält. Und es sieht nicht so aus, als würde dieses in den nächsten 30 Sekunden beendet werden. Da sitzen sie alle ganz entspannt mit ihren Biedermeier-Kaffeetässchen und -Kuchentellerchen, die intellektuellen Beine übereinander geschlagen und schauen mich an, als wäre ich ein vorbei fliegendes Raumschiff. Da ich jedoch kurz vor einer Nahtoderfahrung stehe, habe ich sowieso nicht mehr genug Energie, um mich darüber aufzuregen, dass das Sekretariat nicht pünktlich schließt, obwohl ich einen Haufen Studiengebühren zahle, sodass ich einfach versuche, der Sekretärin durch wilde, grobmotorische Fuchtelei mit der Mappe verständlich zu machen, dass ich gerne meine Hausarbeit für Frau Prof. Dr. phil Hedwig Lüdenscheidt-Kowalski abgeben würde. Offenbar versteht sie meine nonverbale Botschaft, denn noch kauend greift sie sofort nach der Mappe und legt sie behende auf einen Stapel weiterer Arbeiten, um das Verspeisen ihres Kuchens nicht allzu lange unterbrechen zu müssen. Also will ich auch nicht weiter stören, empfehle mich mit einem kurzen Nicken in die Runde und verlasse das Lokal nachdem ich meine Arbeit endlich los geworden bin.

30. März, 12.30 Uhr: 25 Stunden, mehrere Kilo Zucker und 2 Fingerkrämpfe später sitze ich mit Augenringen im Waschbär-Look und stylischer out-of-bed-Frisur im Bus und starre teilnahmslos vor mich hin. Könnte gut sein, dass die anderen Fahrgäste mich für dieses Mädchen halten, das in einem Brunnen wohnt und immer aus dem Fernseher krabbelt. Das war's. Es ist vorbei. Was für eine Nacht. Aber ich habe es geschafft, ich bin's halt einfach. Und wenn ich wieder zu Hause bin, muss ich meinem imaginären Haarbürsten-Karaoke-Konzert-Publikum unbedingt noch die Zugabe geben, zu der ich letzte Nacht nicht mehr gekommen bin: Good morning staaaarshiiine, the earth says helloooo...
FIN

* D., Thomas/Potente, Franka: „Wish (Komm zu mir)“. In: Music, Sony (Hrsg): Lola rennt [Soundtrack]. München 1998
Rado, James/Ragni, Gerome: „Good Morning, Starshine“. In: MacDermot, Galt/Rado, James/Ragni, Gerome: Hair. New York 1968.

Mittwoch, 7. April 2010

Ohne Worte – Teil II

30. März, 00.01 Uhr: Ok. Abgabetag. Ich habe noch 11 Stunden und 59 Minuten Zeit, um 7 Seiten zu füllen, eine Seitenangabe in der Zentralbibliothek nachzuschlagen, ein Zitat aus einem Buch in der Teilbibliothek Romanistik abzutippen, eine Bibliographie, ein Inhaltsverzeichnis und ein Deckblatt anzufertigen, alles auszudrucken, zu lochen, abzuheften und das Gesamtelaborat ins Sekretariat von Frau Prof. Dr. phil. Hedwig Lüdenscheidt-Kowalski (Name v. d. Red. geändert) zu bringen. Aber der kleine blaue Kobold auf der Stuhllehne meint, das wäre zu schaffen, wenn ich noch ein paar Red Bull wegexen würde.

30. März, 01.15 Uhr: „… und aus diesem höchst ersichtlichem Grund erscheint die Behauptung in jeglichem Maße äußerst sinnvoll und logisch, man könne durchaus an den meisten Stellen in den meisten der hier untersuchten Dramen, welche ja einen Querschnitt durch sowohl Tragödien, als auch Komödien sämtlicher Jahrhunderte in Frankreich darstellen, und damit sehr repräsentativ für die Tragödien und Komödien sämtlicher Jahrhunderte in Frankreich sind, sagen, und diese Aussage auch durch entsprechende Hinweise auf den Text bekräftigen, dass für die hier untersuchten Dramen, welche ja einen Querschnitt durch sowohl Tragödien, als auch Komödien sämtlicher Jahrhunderte in Frankreich darstellen, und damit sehr repräsentativ für die Tragödien und Komödien sämtlicher Jahrhunderte in Frankreich sind, gilt, dass die Sprache darin Hauptträger der Information ist.“

30. März, 2.30 Uhr: Hey, 1a-Enter Sandman-Luftgitarren-Show, kleiner blauer Kobold!

30. März, 3.15 Uhr: Die Überdosis Red Bull scheint gewirkt zu haben. Ich habe inzwischen nur noch zwei Seiten Text vor mir. Ich weiß zwar nicht genau, was ich auf den letzten Seiten alles geschrieben habe - gut möglich, dass ich auch zwischendrin ins Altkoreanische gewechselt habe – aber solange Einleitung und Schluss gut sind, kann eigentlich nichts passieren, so will es der Primacy-Recency-Effekt.

30. März, 4.30 Uhr: „… und deshalb glaube ich, dass wir den Klimawandel nur dann verhindern, den Regenwald nur dann erhalten und den Weltfrieden nur dann schaffen können, wenn wir auch weiterhin das passé simple im gesprochenen Französisch anwenden. Auf dass unsere Kinder eine bessere Zukunft haben. FIN.“ – Ha, bestimmt hat keiner so einen super Schluss, wie ich. So, und jetzt noch eben schnell den Rest. Bibliographie und so.

30. März, 8.30 Uhr: Der kleine blaue Kobold pennt inzwischen inmitten leerer Bierdosen, Pizzaresten und mehrere kleiner blauer Kobold-Groupies, deren Klamotten quer über meine Tastatur verteilt sind. Und ich müsste nach meinem nicht-existenten Zeitplan jetzt eigentlich in der Bibliothek sein. Aber stattdessen hänge ich immer noch hier rum und bastle an der Formatierung und der Bibliographie der Arbeit. Wäre möglicherweise alles etwas schneller gegangen, wenn ich mir das Merkblatt zur schriftlichen Hausarbeit, das wir uns vorher hätten durchlesen sollen, auch wirklich vorher durchgelesen hätte, sodass ich bereits früher bemerkt hätte, dass Frau Prof. Dr. phil. Hedwig Lüdenscheidt-Kowalski alles ganz anders will, als ich das kenne, und so vielleicht nicht alles hätte doppelt machen müssen. Dies jedoch bleibt eine vage Vermutung.

30. März, 9.30 Uhr: Es ist vollbracht. Der Großteil der Arbeit inklusive Deckblatt, Bibliographie und Inhaltsverzeichnis ist auf meinem USB-Stick gespeichert. Zum ersten Mal seit etwa 17 Stunden betrete ich mein Badezimmer. Einen Moment lang denke ich, Gollum säße in meinem Spiegel und schaut mich an, aber Gollum hat nicht so einen benommenen Blick und auch nicht so viele Kekskrümel im Ausschnitt. Also versuche ich, Schadensbegrenzung zu betreiben, in dem ich das letzte auffindbare Pfund Puder über den gesichtsähnlichen Bereich meines Kopfes verteile – mit mäßigem Erfolg. Ein schlechtes Omen?

Fortsetzung folgt…